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Wer kommt für den Schaden auf der Privatstrasse auf?

01.02.2021

Für den Bau einer neuen Wohnsiedlung in der Nachbarschaft soll unsere Privatstrasse als Zufahrtsstrasse zur Baustelle dienen. Wir befürchten nun, dass unsere Strasse durch den Baustellenverkehr beschädigt werden könnte. Müssen wir die Inanspruchnahme der Strasse dulden und wer haftet für einen allfälligen Schaden?

Ein Grundeigentümer hat Einwirkungen auf sein Grundstück, wie etwa das Befahren des Grundstücks, grundsätzlich nicht zu dulden und kann sich dagegen zur Wehr setzen. Namentlich für Bauarbeiten in dicht besiedelten Gebieten kann eine Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks etwa als Zufahrt zur Baustelle, für die Lagerung von Baumaterial oder für Baustelleninstallationen jedoch zwingend erforderlich sein.

Das Zivilgesetzbuch (Art. 695 ZGB) räumt den Kantonen daher die Kompetenz ein, nachbarrechtliche Wegrechte und Zutrittsrechte vorzusehen. Von dieser Möglichkeit haben die Kantone Gebrauch gemacht, mit der Folge, dass ein Bauherr das Grundstück des Nachbarn auch gegen dessen Willen vorübergehend in Anspruch nehmen kann. Vorausgesetzt wird in den meisten Kantonen, dass die Beanspruchung tatsächlich erforderlich ist, das Vorhaben dem betroffenen Nachbarn rechtzeitig angezeigt wird und das Recht schonend und gegen volle Entschädigung ausgeübt wird.

Sofern die Zufahrt zur Baustelle in Ihrer Nachbarschaft nur über Ihr Grundstück möglich ist bzw. eine anderweitige Zufahrt mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden wäre, hat der Bauherr das Recht, Ihre Strasse vorübergehend zu nutzen. Wird die Strasse beispielsweise durch schwere Baumaschinen beschädigt, so hat der Bauherr Ihnen diesen Schaden zu ersetzen.

Zustand dokumentieren

Der Nachweis des tatsächlichen Schadens obliegt dem Nachbarn, welcher sein Grundstück zur Verfügung stellt, d. h. vorliegend müssten Sie den Schaden belegen. Dazu wird in der Regel der Zustand des Grundstücks vor und nach den Bauarbeiten dokumentiert. Idealerweise erfolgt diese Beweissicherung gemeinsam mit dem Bauherrn – allenfalls unter Beizug eines Experten (falls zum Beispiel Messungen erforderlich sind) –, zumal auch der Bauherr kein Interesse an langwierigen Streitigkeiten oder gar einem Gerichtsverfahren hat. Dieser ist jedoch nicht verpflichtet, bei der Beweissicherung mitzuwirken. Weigert sich der Bauherr, so besteht unter anderem die Möglichkeit, ein amtliches Protokoll aufnehmen zu lassen, welches auch ohne Zustimmung des Bauherrn als Beweis dient.

Wenn immer möglich sollte nicht nur die Beweissicherung gemeinsam vorgenommen werden, sondern auch die Benützung des Grundstücks zwischen Bauherrn und Nachbarn vertraglich geregelt werden. In diesem Vertrag kann namentlich vereinbart werden, welche Arbeiten geplant sind, in welcher Art und in welchem Umfang das Grundstück des Nachbarn genutzt wird, wie lange die Arbeiten dauern und welche Entschädigungen und Wiederinstandstellungsarbeiten geschuldet sind. Überdies kann vereinbart werden, welcher Experte mit der Beweissicherung beauftragt wird und wer die Kosten für die Beweissicherung trägt. Eine vorgängige und sorgfältige Regelung der Nutzung des Grundstücks kann spätere Auseinandersetzungen verhindern.

Dr. iur. Claudio Stocker, Rechtsanwalt und Notar, Luzerner Zeitung, Ausgabe vom 28.1.2021