Ergänzungsleistungen bei Schenkung

27.01.2017

Schenkung: Kein Anrecht auf Ergänzungsleistungen?

Ich habe meinen Vater (88, verw.) bis zu seinem Altersheimeintritt 2010 jahrelang gepflegt. Als Dank hat er mir 2010 seine Wohnung (Verkehrswert: 600 000 Franken, Übernahme Hypothek: 150 000 Franken) geschenkt. Inzwischen ist sein Vermögen aufgebraucht, Ergänzungsleistungen werden ihm aber verweigert. Zu Recht?

Hohe Pflegekosten im Alter stellen ein bedeutendes Armutsrisiko dar, da die Schweiz bis heute keine staatliche Pflegeversicherung kennt. Die Ergänzungsleistungen springen hier als eine Art «Auffangpflegeversicherung» ein. Anders als die AHV-Altersrenten werden Ergänzungsleistungen aber nur nach einer Bedarfsprüfung ausgerichtet.

Vermögensverzicht

Anspruch auf Ergänzungsleistungen besteht, soweit die gesetzlich anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen. Dabei geht das Gesetz davon aus, dass bei Bedarf auch ein Teil des Vermögens zur Bestreitung des Lebensunterhalts herangezogen wird (Vermögensverzehr). Zum tatsächlich vorhandenen Vermögen hinzugerechnet werden alle jene Vermögenswerte, auf die eine Person ohne Rechtspflicht und ohne gleichwertige Gegenleistung verzichtet hat (Vermögensverzicht).

Die Gerichtspraxis ist streng: Eine Schenkung als Dank für unentgeltliche Betreuungsdienste gilt bei den Ergänzungsleistungen als Vermögensverzicht, selbst wenn der Betreuungsaufwand beträchtlich war. An sich können langjährige Betreuungsdienste unter Umständen entschädigungspflichtig sein, etwa wenn ein Arbeitsverhältnis angenommen oder ein Lidlohnanspruch bejaht wird. Um die Entgeltlichkeit zu untermauern, empfehlen sich regelmässig ein schriftlicher Arbeitsvertrag, eine Dokumentation des Betreuungsaufwands (u. a. Pflegejournal) und periodische Zahlungen mit Entrichtung von Sozialabgaben.

In Ihrem Fall erfolgte die Zuwendung jedoch als Schenkung, wobei die Übernahme der Hypothek als Gegenleistung berücksichtigt wird (sogenannte gemischte Schenkung). Aus Sicht der Ergänzungsleistungen hat Ihr Vater im Jahr 2010 auf einen Gegenwert von rund 450 000 Franken (600 000 Franken minus 150 000 Franken Hypothek) verzichtet. Von diesem Bruttobetrag sind allfällige Gebühren, Steuern etc. abzuziehen.

Eine Verjährung der Berücksichtigung des Vermögensverzichts gibt es nicht. Die in vielen Köpfen verankerte 5-Jahres-Frist ist eine Faustregel aus dem (Erbschafts-)Steuerrecht und gilt bei den Ergänzungsleistungen nicht. Abgezogen wird bei einem Vermögensverzicht einzig ein pauschaler Betrag von 10 000 Franken pro Jahr. Auf dieser Basis werden Ihrem Vater im Jahr 2017 fiktive Einnahmen (Vermögensertrag und -verzehr) von über 70 000 Franken angerechnet. Hinzu kommen die effektiven Einnahmen (insbesondere Altersrenten), weshalb Ihrem Vater auch 2017 keine Ergänzungsleistungen ausgerichtet werden.

Auf Sozialhilfe angewiesen

Mangels Ergänzungsleistungen dürfte Ihr Vater auf Sozialhilfe angewiesen sein, wobei die gesetzliche Verwandtenunterstützungspflicht vorgeht. Letztere setzt ein überdurchschnittlich hohes Einkommen bzw. Vermögen voraus, wobei in Ihrem Fall auch der Wert der geschenkten Wohnung zu berücksichtigen ist.

 

Dr. iur. Philipp Egli, Rechtsanwalt, Luzerner Zeitung, Ausgabe vom 27.1.2017