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Scheidung

22.09.2021

Scheidung: Habe ich Anrecht auf eine Entschädigung?

Nach 20-jähriger Ehe lassen wir uns scheiden. Bis zur Trennung habe ich neben der Kindererziehung halbtags unentgeltlich und ohne Vertrag im KMU-Betrieb meines Mannes gearbeitet (Buchhaltung, Rechnungsstellung etc.). Habe ich Anrecht auf eine Abgeltung? Wie würde eine solche berechnet?

Grundsätzlich sind Ehegatten nicht verpflichtet, einander für die Erfüllung ihrer Aufgaben zu Gunsten der Familie eine Abgeltung zu leisten. Der Gesetzgeber sieht jedoch Ausnahmen vor. Gemäss Art. 165 Abs. 1 ZGB hat ein Ehegatte Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, wenn er im Beruf oder Gewerbe des andern erheblich mehr mitgearbeitet hat, als sein Beitrag an den Unterhalt der Familie es verlangt.

Erhebliche Mehrleistung

Um beurteilen zu können, ob eine erhebliche Mehrleistung erbracht wurde, ist stets der Einzelfall zu prüfen. In der Regel wird eine solche bejaht, wenn die Mitarbeit des Ehegatten auch durch eine entlöhnte Arbeitskraft hätte verrichtet werden können, sprich die Arbeiten im Betrieb zu einem Ertrag geführt oder Kosten eingespart haben. Weiter zu berücksichtigen sind Dauer und Regelmässigkeit der Einsätze sowie die Belastung des mitarbeitenden Ehegatten mit übrigen familiären Aufgaben wie z.B. Haushaltsführung und Kinderbetreuung.

Haben Sie also über Jahre in einem 50-Prozent-Pensum im Betrieb Ihres Mannes gearbeitet und dafür, etwa aufgrund eines Arbeitsvertrages, noch keine Entschädigung erhalten und nebenbei allein den Haushalt geführt sowie die Kinder betreut, besteht ein Anspruch auf Abgeltung.

Angemessene Entschädigung

Das Gesetz spricht weiter von einer angemessenen Entschädigung. Obwohl nicht einfach der Lohn, den eine Drittperson verdient hätte, geschuldet ist, kann dieser als Ausgangspunkt dienen. Für die Festlegung ist wiederum eine Gesamtbeurteilung vorzunehmen. Verschiedene Kriterien sind zu berücksichtigen wie z.B. die finanzielle Leistungsfähigkeit des entschädigungspflichtigen Ehegatten und die  wirtschaftliche Lage seines Betriebes.

Miteinkalkuliert werden müssen sodann die Vor- und Nachteile des mehrleistenden Ehegatten. Wurde dieser aufgrund seiner Tätigkeit im Betrieb z.B. durch eine Haushaltshilfe von der Hausarbeit befreit, kann dies zu einer Reduktion der Entschädigung führen. Eine Erhöhung wäre indes angezeigt, wenn z.B. die eigenen Berufspläne zurückgestellt wurden oder Einbussen in der beruflichen Vorsorge bestehen.

Wesentlich sind schliesslich auch die güterrechtlichen Verhältnisse. Wurde z.B. die Gütertrennung vereinbart und somit eine Teilhabe am  gestiegenen Unternehmenswert verunmöglicht, muss die Entschädigung höher ausfallen, als wenn unter dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung bereits im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung ein Ausgleich erfolgt, was in Ihrem Fall sicher noch näher zu prüfen wäre.

Wie Sie sehen, ist die Frage, ob eine Entschädigung geschuldet ist, nicht immer ganz einfach zu beantworten. Auch eine genaue Bezifferung ist aufgrund zahlreicher Faktoren ziemlich schwierig. Im Streitfall hat ein Gericht darum einen erheblichen Ermessensspielraum.

MLaw Mathias Buchmann, Luzerner Zeitung, Ausgabe vom 22. September 2021