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Hausübergabe: Welche Lösung ist fair und sinnvoll?

22.05.2019

Mein verstorbener Ehemann hinterliess mir ein Vierfamilienhaus zu Alleineigentum. In diesem Haus bewohne ich eine Wohnung. Die anderen Wohnungen vermiete ich. Nun zieht meine ältere Tochter in eine dieser Wohnungen. Ich suche nun eine faire und sinnvolle Lösung für die Übergabe des Hauses an meine beiden Töchter.

Soll beiden Töchtern ein Anteil am Vierfamilienhaus zukommen, so empfiehlt es sich, an der Liegenschaft vorab Stockwerkeigentum zu begründen. Auf diese Weise können Sie das Eigentum an den einzelnen Wohnungen/Stockwerkeinheiten auf Ihre Töchter (z. B. je zwei Wohnungen) übertragen. Um sicherzugehen, dass Ihre Töchter wertmässig gleich viel erhalten, ist eine Verkehrswertschatzung der Wohnungen angezeigt.

Mehrere Möglichkeiten

Die Übertragung des Eigentums an den Wohnungen bzw. an einzelnen Wohnungen kann entweder bereits zu Lebzeiten oder erst von Todes wegen erfolgen. Im ersten Fall wird das Eigentum etwa durch Verkauf der Stockwerkeinheiten, mittels Schenkung oder als Erbvorbezug auf Ihre Töchter übertragen. Ihre Töchter können ab dem Zeitpunkt der Eigentumsübertragung über die Wohnungen verfügen, d. h. diese beispielsweise vermieten, selber bewohnen oder verkaufen. Damit Sie weiterhin in Ihrer Wohnung bleiben können, besteht die Möglichkeit, dass Sie sich ein Wohnrecht oder ein Nutzniessungsrecht einräumen lassen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Sie vorerst beispielsweise erst je eine Wohnung auf Ihre beiden Töchter übertragen und die beiden anderen Wohnungen in Ihrem Eigentum bleiben. Bevorzugen Sie hingegen eine Eigentumsübertragung erst nach Ihrem Versterben, so können Sie in einem Testament oder in einem Erbvertrag festlegen, welche Tochter welche Wohnungen/Stockwerkeinheiten erhalten soll.

Finanzielle Unabhängigkeit

Denkbar ist auch, dass Sie einstweilen nur die Wohnung, die Ihre ältere Tochter bezieht, ihr als Erbvorbezug vermachen. Ihre Tochter müsste sich die erhaltene Wohnung dann an ihren Erbteil anrechnen lassen, wobei der Wert der Wohnung im Todeszeitpunkt massgebend ist.

Welcher dieser Varianten den Vorzug zu geben ist, kann nicht generell gesagt werden, vielmehr ist die konkrete Situation zu beurteilen. Bevor Sie Schenkungen oder Erbvorbezüge ausrichten, sollte sichergestellt werden, dass Ihre finanzielle Unabhängigkeit nicht gefährdet wird und Sie auch im Alter noch ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung haben. Ist dies nicht der Fall, so besteht die Gefahr, dass der Anspruch auf Ergänzungsleistungen verloren geht, da Sie freiwillig auf Vermögen verzichtet haben.

Demgegenüber stellt sich bei einem Verkauf der Stockwerkeinheiten die Frage, ob Ihre Töchter die finanziellen Mittel für den Kauf aufbringen können. Eine gemischte Schenkung (die Wohnungen werden unter dem Verkehrswert verkauft) wäre in diesem Fall in Betracht zu ziehen. 

Zu berücksichtigen sind schliesslich auch die Steuerfolgen (z. B. Grundstückgewinnsteuer, Handänderungssteuern). Die Steuerfolgen sind kantonal unterschiedlich und hängen oft auch vom Verwandtschaftsgrad zwischen den Beteiligten ab und müssen so individuell abgeklärt werden.

Dr. iur. Claudio Stocker, Rechtsanwalt und Notar, Luzerner Zeitung, Ausgabe vom 22.5.2019