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Darlehensrückforderung

24.01.2023

Ich habe privat ein Darlehen gewährt: Kann ich dieses vorzeitig zurückfordern?

Ich habe meiner Nichte und deren Ehemann im Juli 2021 ein zinsloses Privatdarlehen zum Kauf eines Autos von 20'000 Franken gewährt. Nun ist die Nichte in Trennung, und der Ehemann hat seit Juli 2022 keine Rückzahlungen mehr gemacht. Auch will er das gemeinsam gekaufte Auto verkaufen. Kann ich das Darlehen vorzeitig zurückfordern?

Da die Ehegatten für ein gemeinsames Bedürfnis gemeinsam Geld aufgenommen haben, haften sie für das Darlehen solidarisch. Das bedeutet, dass grundsätzlich beide Eheleute verpflichtet sind, den Vertrag zu erfüllen und das Darlehen zurückzuzahlen. Sie können aber auswählen, bei wem Sie die Verpflichtungen aus dem Darlehen einfordern. Die Eheleute müssen das Innenverhältnis dann eherechtlich klären.

Eingeschriebene Mahnung

Es ist davon auszugehen, dass Sie Ihre Ansprüche aus dem Darlehen gegen den Ehemann Ihrer Nichte geltend machen wollen. Ich empfehle, für die verfallenen Rückzahlungsraten eine Mahnung an den Ehemann zu senden und eine Nachfrist zur Tilgung der ausstehenden Ratenzahlungen zu setzen. Mit der Mahnung wird der Schuldner in Verzug gesetzt, damit laufen auf die fälligen Amortisationsraten u.a. 5 % Verzugszins. Nach unbenütztem Ablauf der Frist zur Bezahlung der fälligen Amortisationsraten können Sie den Vertrag im Rahmen der sogenannten Verzugsfolgen kündigen. Dadurch wird die noch nicht zurückbezahlte Darlehenssumme als Gesamtes zur Rückzahlung fällig. Bei Ausbleiben der Rückzahlung wird auch hier Verzugszins von 5 % fällig. Sollte der  Ehemann die Raten innert der gesetzten Nachfrist noch nachzahlen, ist er nicht mehr in Verzug.

Ausserordentliche Kündigung

Die von Ihnen geschilderte Konstellation stellt aber allenfalls einen wichtigen Grund für eine ausserordentliche Kündigung des Vertrages dar. Dies ist der Fall, wenn Ihnen die Fortsetzung des Darlehensvertrags nach Treu und Glauben nicht mehr zumutbar ist (z. B. wenn der  ursprüngliche Zweck des Darlehens nicht mehr möglich ist). Für die Kündigung müsste eine angemessene Frist berücksichtigt werden, in der  Regel reichen 30 Tage. 

Soweit Ihre Nichte befürchtet, dass der Ehemann das Auto ohne ihre Zustimmung verkauft und das erhaltene Geld verschwinden lässt, kann der Eheschutzrichter im Rahmen von vorsorglichen oder – bei glaubhaft gemachter akuter Gefahr – sogar superprovisorischen Massnahmen angerufen werden. Dazu müsste aber eine anwaltliche Vertretung beigezogen werden.

Da das Auto im Miteigentum der Parteien steht, müsste der Ehemann für einen Verkauf die Zustimmung seiner Ehefrau einholen. Faktisch lässt sich das Auto aber ohne gerichtlich angeordnete Halterwechselsperre auf einen gutgläubigen Dritten übertragen. Die Nichte kann ihre Zustimmung zu einem Autoverkauf allenfalls von einer Kaufpreiszahlung auf Ihr Konto abhängig machen.

Eventuell Veruntreuung

Da das Darlehen nur zum Zweck eines Autokaufs gewährt wurde, wäre unter Umständen der Tatbestand der Veruntreuung gegeben, wenn das Geld aus dem Autoverkauf in der Folge zweckentfremdet würde (zumindest, wenn sinngemäss oder ausdrücklich eine Werterhaltungspflicht vereinbart wurde).

lic. iur. Corinne Willimann, Rechtsanwältin, Luzerner Zeitung vom 17.1.2023