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Arbeitszeugnis

20.09.2019

Muss der Chef mir ein Arbeitszeugnis ausstellen?

Ich (w, 28, Sachbearbeiterin) habe selbst gekündigt, was meinen Chef verärgert hat. Auf meine Bitte nach einem Arbeitszeugnis hat er gemeint, ich solle mir das gut überlegen, da das Zeugnis negativ ausfallen werde. Jetzt muss ich mich entscheiden, ob ich ein Arbeitszeugnis oder eine blosse Arbeitsbestätigung möchte. Was soll ich tun?

Arbeitnehmer können jederzeit vom Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis verlangen, das sich über die Art und die Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über die Leistungen des Arbeitnehmers und sein Verhalten ausspricht (sog. Vollzeugnis; Art. 330a Abs. 1 OR). Arbeitszeugnisse sind während der Anstellung (Zwischenzeugnis) oder am Ende (Schlusszeugnis) auszustellen.

Auf Verlangen des Arbeitnehmers hat sich das Zeugnis auf Angaben über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses zu beschränken (sog. Arbeitsbestätigung; Art. 330a Abs. 2 OR).

Vollständig, klar, objektiv

Arbeitszeugnisse müssen vollständig, klar und objektiv richtig sein. Das Zeugnis ist wohlwollend zu formulieren. Negative Aspekte sind zu erwähnen, sofern sie für die Gesamtbeurteilung erheblich sind. Es geht nicht an, dass Ihnen Ihr Chef ein schlechtes Arbeitszeugnis in Aussicht stellt, nur weil er über Ihre Kündigung verärgert ist. 

Zeugnis verlangen

Auch haben Sie guten Grund, sich nicht mit einer blossen Arbeitsbestätigung zu begnügen. Da in der Schweiz Arbeitszeugnisse üblich sind, könnte eine blosse Arbeitsbestätigung nach Beendigung eines längeren Arbeitsverhältnisses als Hinweis für Unstimmigkeiten gewertet werden und Ihre Stellensuche erschweren. 

Unzulässiger Druckversuch

Der nötigende Druckversuch Ihres Vorgesetzten ist unzulässig. Auch übersieht Ihr Chef, dass er bei der Wahl zwischen Arbeitszeugnis und Arbeitsbestätigung nicht mitzureden hat. Die Wahl zwischen einem Arbeitszeugnis oder einer Arbeitsbestätigung obliegt Ihnen als Arbeitnehmerin. Sie können ohne weiteres auch beides verlangen (BGE 129 III 177). Auch müssen Sie Arbeitszeugnis und Arbeitsbestätigung nicht gleichzeitig anfordern.

Sollten Sie aufgrund befürchteter Nachteile noch während der Anstellung ausdrücklich auf ein Arbeitszeugnis verzichtet haben, so wäre ein solcher Verzicht rechtlich nicht verbindlich. 

Allgemein gilt, dass ein Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung nicht gültig auf Forderungen verzichten kann, die sich aus zwingenden Vorschriften ergeben (sog. Verzichtsverbot; Art. 341 OR). Nach der Gerichtspraxis fällt auch der Lohn für geleistete Arbeit unter diese Bestimmung. 

Gerichtlich durchsetzen

Wenn sich Ihr Vorgesetzter weiterhin weigern sollte, ein korrektes Arbeitszeugnis oder eine Arbeitsbestätigung auszustellen, können Sie Ihren Anspruch nötigenfalls gerichtlich durchsetzen. Dabei kann es hilfreich sein, wenn Sie vorab einen eigenen Vorschlag für das Zeugnis verfassen.

 

Kurzantwort

Der Arbeitnehmer hat jederzeit das Recht, ein Arbeitszeugnis zu verlangen. Dieses muss vollständig, klar und objektiv richtig sein. Das Zeugnis ist wohlwollend zu formulieren. Eine blosse Arbeitsbestätigung könnte bei der Stellensuche als Hinweis auf Unstimmigkeiten gewertet werden und die Chancen mindern.
Dr. iur. Philipp Egli, Luzerner Zeitung, Ausgabe vom 18. September 2019