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Nachbarrecht

02.05.2018

Muss der Nachbar die störende Hecke zurückschneiden?

Unser Ex-Nachbar hat vor ca. 15 Jahren eine Hecke an der Grundstücksgrenze gepflanzt, die er regelmässig zurückschnitt. Der neue Besitzer lässt die Hecke wachsen, was uns viel Schatten und Laub bringt. Können wir die Entfernung der Hecke oder einen Rückschnitt verlangen? Was können wir tun, wenn der Nachbar nicht einlenkt?

Die kantonalen Einführungsgesetze zum ZGB regeln meist, welchen Grenzabstand Gewächse einhalten müssen. Im Kanton Luzern sind es je nach Gewächsart zwischen 0,5 und 6 m (§ 86 Abs. 2 EG ZGB). Hier muss der Grenzabstand einer Hecke, die höher als 1 m ist, die Hälfte ihrer Höhe betragen. Sie könnten entsprechend verlangen, dass Ihr Nachbar die Hecke auf die zulässige Höhe zurückschneidet. Andere Kantone haben andere Abstands- und Höhenvorschriften festgelegt.


Das Zurückschneiden kann schweizweit jederzeit verlangt werden; es gilt keine Verjährungsfrist. Der Anspruch auf Entfernung eines vorschriftswidrigen Gewächses unterliegt hingegen in fast allen Kantonen einer Verjährungsfrist zwischen 2 und 30 Jahren. Im Kanton Luzern hat man 10 Jahre Zeit, um die Entfernung eines zu nahe an der Grenze stehenden Gewächses zu verlangen. Einzelne Kantone (u. a. AI, SG und AG) kennen keine Verjährung. Nach Ablauf der Verjährung ist die Pflanze grundsätzlich in ihrem Bestand geschützt, aber nicht in ihrem Ausmass. Nach Ablauf der Frist kann man die Entfernung der Pflanzen nur verlangen, wenn Ihr Grundeigentum wegen dieser Hecke eine übermässige Immission erleidet.


Ob die Einwirkung übermässig ist, entscheidet das Gericht nach Recht und Billigkeit; es nimmt eine Interessensabwägung vor und legt hierbei den Massstab des Empfindens eines Durchschnittsmenschen in der gleichen Situation zu Grunde. Laubfall ist zwar eine Immission, gemäss Bundesgericht grundsätzlich aber keine übermässige. Entsprechend haben Sie normalerweise den Laubfall der Hecke Ihres Nachbarn zu dulden.

Grenzen des Kapprechts

Das ZGB kennt auch das Kapprecht. Es berechtigt zum Abschneiden von Ästen, die die nachbarschaftliche Liegenschaft überragen, oder zum Entfernen von eindringenden Wurzeln. Vorausgesetzt wird dabei aber, dass die Äste oder Wurzeln eine erhebliche Schädigung verursachen (z. B. wenn ein Baum übermässig Schatten wirft oder wenn ein Weg nur noch erschwert begehbar ist). Der Laubfall überragender Äste genügt grundsätzlich nicht. Vor der Ausübung des Kapprechts ist beim Nachbarn eine Beschwerde zu erheben und ihm eine angemessene Frist anzusetzen. So kann er die Äste selber kürzen. Das Kapprecht ist in der ganzen Schweiz unverjährbar, es kann folglich jederzeit geltend gemacht werden. 

Zuerst Gespräch suchen

Im Hinblick auf ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis lohnt es sich aber, zunächst das Gespräch zu suchen oder allenfalls einen Mediator beizuziehen. Eine gütliche Einigung spart Zeit und Geld. Scheitert eine gütliche Einigung, können Sie beim Gericht beantragen, dass einerseits die Hecke auf das zulässige Mass zurückgeschnitten wird, und anderseits, dass, wenn dieser Anordnung keine Folge geleistet wird, Sie zu ermächtigen seien, auf dem Weg der Ersatzvornahme die Hecke selber zurückzuschneiden.

lic. iur. Corinne Willimann, Rechtsanwältin, Luzerner Zeitung, Ausgabe vom 2.5.2018